Inder sind: unzuverlässig, unpünktlich, chaotisch, sehr nett, freundlich, hilfsbereit (manchmal, und wirklich nur manchmal auch nur um ein Trinkgeld zu erhalten) und lieben körperliche Nähe.
Diese suchen und finden die Inder unter anderem im Straßenverkehr. Kreuzungen, so scheint es, sind für sie ein beliebtes Ausflugsziel. Ähnlich einem Glas in dem man unterschiedlich große Murmeln sammelt, wobei die kleineren die Zwischenräume auffüllen, versammeln sich die Inder (in Bangalore) in ihren Bussen, Autos, Rikschas und Mopeds an Kreuzungen. Aufgrund der für indische Verhältnisse sehr hohen Benzin- und Gaspreise werden von allen auch immer schön die Motoren abgestellt.
Dann ist es Zeit, neue Bekanntschaften zu knüpfen und alte Bekanntschaften zu pflegen, bis die Unterhaltungen dann jäh von einem der vielen Verkehrspolizisten unterbrochen wird. Doch jede noch so abrupte Unterbrechung wird als Chance für weitere Freundschaften gesehen. Und so trifft man sich in ähnlicher oder neuer Konstellation vor der nächsten Kreuzung. Sollte jedoch das Thema der Unterhaltung ein längeres Gespräch erfordern, so wird dies durchaus während der Fahrt fortgesetzt. Die Inder sind wahre Meister im Abstandhalten auf engstem Raum. Bei einer Rikschafahrt sollte man also nicht leichtsinniger Weise einen der äußeren Griffe mit der Hand umschließen, ansonsten riskiert man schmerzhaften Kontakt zum Nachbarfahrzeug. Gerne werden während der Fahrt auch mal Nettigkeiten, wie zum Beispiel Schulterklopfen oder Seitenhiebe ausgetauscht. Durch die dadurch verursachten Schwenker können die weiteren Verkehrsteilnehmer mal so richtig zeigen, was sie drauf haben. An dieser Stelle muss ich noch eine Beobachtung und die daraus resultierende Schlussfolgerung zur indischen Führerscheinprüfung anfügen.
Die Inder haben einen großen Respekt vor den hiesigen Verkehrspolizisten. Stattliche Männer in einer sandfarbenen Uniform und einem Hut, dessen Krempe an einer Seite elegant hochgeklappt wird. Einzig gewappnet mit Trillerpfeife, Rohrstock und ihrer Autorität regeln sie den Verkehr. Der ungeheure Respekt den alle Verkehrsteilnehmer, Autofahrer, Radfahrer als auch Fußgänger vor diesen Männern haben, lässt einen vermuten, dass alle zur Erlangung eines Führerscheins einmalig, vorbeugend mit dem Rohrstock abgestraft werden. Demzufolge müssen wohl auch die Fußgänger einen Führerschein besitzen.
Unser Taxifahrer fragt zum Beispiel immer sehr höflich, ob er denn auch abbiegen darf. Es bedarf nur eines Blickes oder einer kleinen Geste und schon tritt der über die Haltelinie gefahrene Radfahrer den Rückzug an. Gruppenzwang hat in Indien eine vollkommen andere Bedeutung als der gemeine Europäer sie kennt. Hier zwingt einen nicht die Gruppe, sondern man wird zur Gruppe gezwungen.
Ihrem Wunsch nach körperlicher Nähe folgend, schließen sich wildfremde Inder einem kleineren Gesprächskreis an, tauschen Visitenkarten, und teilweise sogar Meinungen aus. Bis so langsam, aber sicher eine Gruppe entsteht. Auf der Messe ist mir dies häufiger passiert. Heimlich, still und leise wurden meine Gesprächsrunden immer größer. Gerne ist man auch mal bereit, über den Tellerrand hinauszuschauen und Neues zu erfahren. Einige meiner „ungebeten Gäste“ hatten dann aber auch gar nichts mit unseren Produkten zu tun. Mal sehen welcher Gruppe ich mich anschließen kann.